Während bisher allenfalls ein paar Theologen Gottes Allmacht zur Lösung des Theodizeeproblems unter den Tisch fallen ließen, strahlt uns derzeit ein frappierender Slogan, der einer Benediktiner-Nonne in den Mund gelegt wird, von Plakatwänden entgegen:
Gott kann nicht alles
regeln. Für uns bleibt
noch genug zu tun.
Theologische Spitzfindigkeiten, die wegerklären sollen, weshalb ihr eigentlich allmächter und zugleich guter Gott beispielsweise auch unschuldige Kinder sterben läßt, obwohl er sie retten könnte (Todesstrafebefürworter finden ja immerhin nichts dabei, wenn ihr Gott Menschen wegen irgendwelcher kleinen Vergehen hinrichtet) bleiben von der Masse der Gläubigen weitgehend unbeachtet.
Da sie - verständlicher Egoismus - lieber einen guten Gott hätten, - entgegen ihrem eigenen Bild, das ihn in ihrer
"Heiligen Schrift" als blutdürstiges Monstrum darstellt, das an Brutalität und Perversion nicht zu übertreffen ist - wird die Omnipotenz eben zumindest ein wenig eingeschränkt (und damit hinfällig). Zunächst wird Gott die Fähigkeit abgesprochen,
Widersprüchliches zu tun (einen Stein zu schaffen, der so schwer ist, daß er ihn nicht heben kann), dann kann er aufgrund seiner Allgüte nichts Böses tun (was jede
Bibel lügen straft), er muß die Willensfreiheit erhalten (offenbar auch die von fallenden Ziegelsteinen, die Säuglinge erschlagen), darf eventuell nichteinmal Naturgesetze brechen - bis er schließlich einen Grad der Allmächtigkeit erreicht, die darin besteht, daß er eben gerade Mal das tun kann, wozu er imstande ist, sprich: die Definition der Allmächtigkeit wird so weit verbogen, daß zwar dieser Gott, aber zugleich auch jeder Mensch allmächtig ist.
Doch diese eher philosophischen Überlegungen sind nun allesamt hinfällig, denn das bischöfliche Hilfswerk Misereor e. V. (lat.
misereor: "Ich habe Erbarmen") gesteht nun für alle sichtbar ein: Gott ist nicht allmächtig, "Gott kann nicht alles".
Damit ist der Christengott auch außerhalb theologischer Seminare, in der breiten Öffentlichkeit, auf den Status irgendwelcher schwächlicher germanischer, ägyptischer, römischer oder griechischer Götter gesunken. Noch nicht das Wahre, aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Denn anderfalls müßten sie eingestehen:
Die einzige Entschuldigung Gottes ist, daß er nicht existiert.
(Stendhal)
Und vielleicht wird in einigen Jahren Misereor mit Plakaten um Spenden betteln, auf denen es heißt:
Gott kann nicht existieren,...
Es gibt keine Götter, ...
Natürlich - dies muß noch gesagt werden - ist es nicht der eigentliche Zweck, dieser (und anderer) christlicher Spendenkampagnen, das Theodizeeproblem zu übertünchen. Vielmehr handelt es sich um eine moderne Form des Ablaßhandels, die dazu dient, das angekratzte Image der
größten Verbrecherorganisation der Geschichte aufzupolieren und unter den
Bedürftigen zu missionieren.
Und daher wäre ein solches Maß an unchristlicher Ehrlichkeit wohl doch zu viel verlangt.